ORF-TV-Schwerpunkt Wiener Moderne präsentiert: Drei neue Dokus über Schiele, Wagner und die Frauen des Fin de Siècle
Die Wiener Moderne, die Zeit von 1890 bis 1918, markiert einen Höhepunkt der österreichischen Kulturgeschichte. Geprägt war die Jahrhundertwende von zahlreichen Neuerungen in Gesellschaft, Kunst, Architektur, Literatur, Musik und Geisteswissenschaften. Das Themenjahr zur Wiener Moderne, das heuer an die 100. Todestage ihrer bedeutenden Repräsentanten Klimt, Schiele, Wagner und Moser erinnert, würdigt das ORF-Fernsehen mit zahlreichen Programmen, u. a. mit drei Neuproduktionen im Rahmen des „kulturMontag“, die am 12. Februar 2018, präsentiert wurden. Die drei sehr unterschiedlich gestalteten Filme sind dem Maler Egon Schiele, dem Architekten Otto Wagner sowie zahlreichen, in Vergessenheit geratenen Frauen der Epoche wie u. a. den Malerinnen Tina Blau, Broncia Koller-Pinell und Olga Wisinger-Florian, der Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries und der Grafikerin Lili Réthi gewidmet.
Auf Einladung von ORF-Programmdirektorin Mag. Kathrin Zechner fand im Wiener Leopold Museum ein von ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl moderiertes Expertengespräch mit Dr. Elisabeth Leopold von der Leopold Museum-Privatstiftung, Dr. Andreas Nierhaus vom Wien Museum und Autorin Petra Unger, ihres Zeichens Expertin für Gender Studies und Feministische Forschung, statt.
ORF/Thomas Jantzen
ORF-Programmdirektorin Zechner: „Wichtig, dass ORF diese Geschichten erzählt und in der öffentlichen Wahrnehmung verankert“
Als „sicher einen der spannendsten und markantesten Zeitpunkte der Wiener Kulturgeschichte“ bezeichnete ORF-Programmdirektorin Mag. Kathrin Zechner die Wiener Moderne. „Es war die Zeit des provokanten Bruchs mit Traditionen.“ Und weiter: „Klimt, Schiele, Wagner, Kokoschka und Moser sind wohl die bekanntesten Repräsentanten dieser Epoche. Oft vergessen sind aber die Künstlerinnen der Wiener Moderne. Sie haben das Bild von Frauen in der Gesellschaft stark gewandelt. Selbstbewusstsein, Selbstverständnis und die Normalität, in einer anachronistischen Männerwelt auch in der Kunst auf Augenhöhe zu sein, haben sich die Malerinnen und Bildhauerinnen hart erarbeiten müssen. Nur einige wenige von ihnen haben heute ihren Platz in der Kunstgeschichte, doch viele andere sind in Vergessenheit geraten. Spannende Dokus über die Künstlerinnen und Künstler der Wiener Moderne seien ihnen garantiert. Es ist wichtig, dass der ORF diese Geschichten erzählt und in der öffentlichen Wahrnehmung verankert“, so Zechner, die sich in ihrer Funktion als „Ermöglicherin des Kreativen“ besonders fasziniert von den Persönlichkeiten dieser Kunstepoche zeigte.
ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl: „Wir wollen mit unserem Programmschwerpunkt nicht nur herausragende Künstlerpersönlichkeiten aus neuen Blickwinkeln beleuchten, sondern auch die Umstände aufzeigen, in denen ihre Kunst entstanden ist – die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Begleiterscheinungen, die in der Kunst ihre Entsprechung gefunden haben“, so Traxl.
Der ORF-TV-Schwerpunkt zum Themenjahr Wiener Moderne
Der ORF eröffnete das Jahr der Wiener Moderne im Fernsehen bereits am 1. Jänner mit dem „Pausenfilm“ zum Neujahrskonzert von Georg Riha – einer musikalischen Hommage an die Kunstepoche mit dem Titel „Wiener Moderne 1918 · 2018“. Seither folgten bereits Herbert Eisenschenks Dokumentation „Gustav Klimt – Der Geheimnisvolle“ in der „matinee“ am 28. Jänner sowie ein „kulturMontag“, der am 12. Februar, u. a. die Doku „Ein Kuss macht Kasse – Klimt zwischen Kunst und Kommerz“ von Thomas Macho sowie den ORF kofinanzierten internationalen Spielfilm „Klimt“ von Raoul Ruiz mit John Malkovich in der Titelrolle präsentierte.
Tiefe Einblicke in die Persönlichkeit Egon Schieles
Am 19. Februar zeigt ORF 2 im „kulturMontag“ die erste der drei Neuproduktionen zum Thema Wiener Moderne: Herbert Eisenschenks Film „Egon Schiele“ (23.15 Uhr) über den österreichischen Maler und sein Oeuvre. Die Doku will abseits der biografischen Betrachtung des Künstlers auch den Zusammenhang zwischen der kompromisslosen Unbedingtheit in der Kunst und ihrem anscheinenden Widerpart, dem moralischen Verhaltenskodex der Gesellschaft, ergründen. Namhafte Persönlichkeiten und Schiele-Experten wie Elisabeth und Diethard Leopold, Jane Kallir, Klaus Albrecht Schröder, Jean Clair und Tobias Natter vertiefen die verschiedenen Erzählstationen und Darstellungsebenen über Egon Schieles Leben, Werk und Gegenwart zwischen Wien, Paris, Neulengbach, Tulln und Krumau.
ORF/meta film/Helmut Wimmer
„Ich selbst zählte zu jenen Menschen, die dachten, schon alles über Egon Schiele zu wissen. Ich habe es dem Regisseur und Drehbuchautor Herbert Eisenschenk zu verdanken, dass ich einen tieferen Einblick in diese Persönlichkeit gewinnen konnte“, erzählt Michael Cencig, Produzent der Spieldoku, der sich stellvertretend für den Filmemacher dem Gespräch mit Martin Traxl stellte. „Herbert Eisenschenks Anspruch war es, zu versuchen, indirekt in Egon Schiele hineinzuschauen. Er hat Menschen aufgesucht, die aus verschiedensten Gründen verschiedene Perspektiven auf diesen Künstler eingenommen haben.“ Und weiter: „Ich habe erst durch diesen Film Herbert Eisenschenk wirklich kennengelernt, ebenso wie Kameramann Helmut Wimmer – beides Künstler hinter der Kamera“, so Cencig.
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„Reinlichkeitsfanatiker“ Otto Wagner
Im „kulturMontag“ am 19. März ist Rudolf Klingohrs neues Porträt „Otto Wagner – Visionär der Moderne“ (23.15 Uhr, ORF 2) über den Architekten, Stadtplaner und Designer zu sehen (Dakapo in der Feiertagsmatinee am Ostermontag, 2. April, 9.50 Uhr, ORF 2). Dieses rückt das geniale Werk des Architekten, Stadtplaners und Designers ins Zentrum und spannt einen Bogen von seinem Frühwerk, das noch dem gefälligen Stil des Historismus verpflichtet ist, hin zu den Meisterwerken, die zu den Juwelen des Jugendstils in Wien zählen. Hauptanliegen der Doku ist es, Otto Wagners Schaffen und seine Entwicklung hin zum modernen Baukünstler darzustellen. Sein Privatleben wird dabei lediglich gestreift. Die Produktion widmet sich jenen Ereignissen und Entwicklungen im Leben Wagners, die das Schaffen des Künstlers beeinflussten.
ORF/TV and More/Steininger
„Wir haben uns sehr bemüht, mit diesem Film ein bisschen durch die Stadt zu führen und Besonderheiten von Otto Wagners Kunst zu zeigen. Wir helfen den Zuschauern damit, aufmerksam durch die Stadt zu gehen und Otto Wagner aus neuen Blickwinkeln zu erleben“, sagt Regisseur Rudolf Klingohr. Im Zuge der Dreharbeiten entdeckte Klingohr u. a., dass viele dekorative Elemente an Wagner-Objekten weniger Dekor waren, sondern viel mehr eine Funktion erfüllten. Eine überraschende Erkenntnis: „Otto Wagner war ein Reinlichkeitsfanatiker“, erzählt Klingohr. „Er hat aus Hygienegründen den Weihwasserspender entwickelt, eine Glasbadewanne gebaut oder auch das berühmte Majolika-Haus in der Wienzeile mit abwaschbaren Fliesen gestaltet. Er hat sich sehr auseinandergesetzt mit Pflege, Reinlichkeit und Hygiene.“
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Die Frauen der Wiener Moderne: „Ein Riesenschatz!“
Last but not least: Filmemacherin Barbara Weissenbeck arbeitet derzeit bereits auf Hochtouren an der Dokumentation „Frauenbilder – Gegenbilder: Die Künstlerinnen der Wiener Moderne“, die im Frühling 2018 zahlreiche, zum Großteil in Vergessenheit geratene, Vertreterinnen der Epoche vor den Vorhang holt. Die Ausgangsposition: Ausschließlich Männer wie zum Beispiel Gustav Klimt, Otto Wagner, Oskar Kokoschka und Egon Schiele sind im kollektiven Gedächtnis als Wegbereiter und Repräsentanten dieser Epoche eingebrannt. Doch gerade in dieser Zeit emanzipierten sich die Frauen zusehends und waren am Aufbruch in die Moderne beteiligt. Trotz äußerst schlechter Rahmenbedingungen für das weibliche Geschlecht im Kunstbetrieb konnten sich seine Vertreterinnen durchsetzen, die meisten von ihnen sind allerdings in Vergessenheit geraten. Der Film thematisiert die einzelnen Frauenkünstlerschicksale wie auch deren Werke und skizziert zugleich ein vielschichtiges und ambivalentes Bild der damaligen Zeit – politisch wie gesellschaftlich.
Regisseurin Barbara Weissenbeck befindet sich noch in der Recherchephase zu ihrem jüngsten Projekt: „Je mehr ich an diesem Film arbeite, umso mehr Schätze entdecke ich. Ich darf hier einen Riesenschatz heben. Das ist natürlich eine große Verantwortung, denn: Wen von diesen vielen Schätzen wähle ich für den Film aus? Da bin ich jetzt abhängig von Kuratoren, von Wissenschaftern, von Kunsthistorikern, die mir helfen, und mit jedem Gespräch werden es immer mehr“, berichtet die Filmemacherin. „Es ist eine unheimlich spannende Entdeckungsreise und einfach schön, diese Frauen ins Licht stellen zu dürfen. Es ist unglaublich, welche Geschichten sie haben und wie stark sie waren. Das liest sich in den Briefen, in den Tagebucheintragungen, das sieht man teilweise auf den Fotos, wie sie sich da inszeniert haben, man sieht es aber auch an den Werken. Es geht nicht nur um das Frausein in dieser Zeit, sondern vor allem darum, auch ihre Werke zu zeigen“, so Weissenbeck.
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