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Ö1-Schwerpunkt zum 70. Geburtstag von Elfriede Jelinek

Am 20. Oktober begeht Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ihren 70. Geburtstag. Ö1 widmet der Schriftstellerin einen Programmschwerpunkt mit elf Sendungen. Im ORF-TV ist Michael Hanekes vielfach preisgekrönte Verfilmung von Jelineks 2004 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Werk „Die Klavierspielerin“ zu sehen.
Elfriede Jelineks „Jackie“ steht auf dem Programm der „Hörspiel-Galerie“ am Samstag, den 15. Oktober ab 14.00 Uhr in Ö1. Es spielt Marion Breckwoldt, Regie führt Karl Bruckmaier (BR 2003). Das Theaterstück „Jackie“ ist Teil des „Prinzessinnen-Zyklus“ von Elfriede Jelinek. In der 2004 mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichneten Hörspiel-Version ruft die ehemalige Heroine Amerikas, ein längst verstorbenes Idol, aus dem Jenseits die Toten an. Dabei erschafft sie ein Bild von sich selbst, inszeniert sich als Kunstwerk. Mit biografischen Fakten und einem permanenten Vergleich mit Marilyn Monroe, Jackies stärkster Gegenspielerin, umkreist Jelinek in ihrem Hörspielmonolog Jacqueline Bouvier (1929 - 1994), die Witwe des US-Präsidenten John F. Kennedy und des griechischen Milliardärs Aristoteles Onassis.
Ab 17.05 Uhr begibt sich dann ein „Diagonal: zur Person Elfriede Jelinek“ auf die Spuren der großen österreichischen Sprachkünstlerin, die sich zurückgezogen hat, um den zudringlichen Blicken der Öffentlichkeit zu entrinnen. Gespenster gehen um in den Texten Jelineks, Untote, Zombies, Vampire bevölkern seit den Anfängen die sprachgewaltigen Textplateaus der Autorin. Die österreichische Geschichte gerät unter dem kritischen Blick Elfriede Jelineks zum Gespensterszenario, ihre Untoten sind das Sinnbild einer Vergangenheit, „die nie ganz tot ist und aus der immer die Hand aus dem Grabe wächst“. Seitdem Elfriede Jelinek 2004 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist, ist sie selbst eine körperlose Stimme, eine Art Gespenst geworden. Denn auf die große Ehrung folgte der große Rückzug. Jelinek, die in den 1980er- und 1990er-Jahren als engagierte Autorin in medialen Debatten äußerst präsent gewesen ist, meidet öffentliche Auftritte und gibt so gut wie keine Interviews mehr. Das Gros ihrer Texte erscheint im Netz. Den Literaturbetrieb brandmarkt die Nobelpreisträgerin als korrupt. Verstummt ist sie deshalb aber längst nicht. Als Medienfigur hat sich Elfriede Jelinek verabschiedet, als Autorin mischt sie sich weiter ein. Sie hat ein Stück über die Flüchtlingstragödie geschrieben („Die Schutzbefohlenen“) und sich mit Terroristen, Pegida-Anhängern und geifernden Hass-Postern („Wut“) auseinandergesetzt.
Am Sonntag, den 16. Oktober ist im „Kunstradio“ (23.03 Uhr) eine Produktion aus dem Jahr 2003 zu hören. Jelineks Text „Das Schweigen“ wird in der radiophonen Arbeit von Ernst M. Binder und Josef Klammer konfrontiert mit einem biografischen Text der Autorin, den sie ihrem Orgellehrer Leopold Marksteiner gewidmet hat. Dieser Text „Die Zeit flieht“ wird von Jelinek selbst gelesen und ist rhythmische, klangliche und melodische Grundlage der kontrapunktierenden Komposition. Kurze Sequenzen aus Silben, Konsonanten und Vokalen ergeben ein Klanggebilde, welches „Das Schweigen“ zum Klingen bringt, trägt und stützt. Essenzen aus dem „Klavierkonzert in a moll“ von Clara Schumann sind der akustische Gegenpol, nicht nur in musikalischer Hinsicht.
Auch die „Radiogeschichten“ (11.40 Uhr) stehen von Montag, den 17. bis Freitag, den 21. Oktober ganz im Zeichen der Schriftstellerin: Am 17. Oktober dreht sich alles um die Jungautorin Elfriede Jelinek. Weitere Themen sind „Die Liebhaberinnen“ (18.10.), „Die Klavierspielerin“ und „Lust“ (19.10.), Elfriede Jelinek und das Theater: „Wolken.Heim.“ und „Die Schutzbefohlenen“ (20.10.) und „Elfriede Jelinek und das Abseits“ (21.10.).
"Musikalische Sprache, versprachlichte Musik“ - Elfriede Jelineks vielfältige Beziehungen zum zeitgenössischen Komponieren sind Thema von „Zeit-Ton“ am Montag, den 17. Oktober ab 23.03 Uhr in Ö1. Jelineks jahrelange Beschäftigung mit der Musik, die in den 1960er-Jahren in einem Orgel-, Klavier- und Blockflötenstudium am Konservatorium der Stadt Wien und sogar in einigen Kompositionen kulminierte, schlug sich enorm produktiv auf ihr literarisches Schaffen nieder. Die enge Beziehung zwischen Wort und Musik ist ein Schlüssel zu ihren in ständigem Fluss befindlichen Texten. Durch Jelineks langjährige Beziehung zu der gleichfalls aus der Steiermark stammenden Komponistin Olga Neuwirth wurde dieses Ineinander von Sprache und Musik noch intensiver reflektiert. Unter anderem in gemeinsam entstandenen Hörstücken wie „Todesraten“ (1997) oder „Der Tod und das Mädchen II“ (2000). Auch als Librettistin zu Neuwirths Musiktheatern „Bählamms Fest“ (1997/'99) und „Lost Highway“ (2002/'03), um nur die zwei wichtigsten Libretti zu nennen, ist Jelinek in die Geschichte der Musik eingegangen. „Elfriede Jelinek und die Musik“ ist auch Thema des „Pasticcio“ am Donnerstag, den 20. Oktober (Ö1, 8.20 Uhr).
Das Ö1-„Hörspiel-Studio“ (21.00 Uhr) bringt am Dienstag, den 18. Oktober Jelineks Stück „Rechnitz“, in dem neben der Autorin Isabelle Menke und Stefan Wilkening mitwirken, Bearbeitung und Regie: Leonhard Koppelmann (BR 2011). 1994 haben sich die Dokumentarfilmer Margareta Heinrich und Eduard Erne nach Rechnitz begeben, um vor Ort über das Massaker vom 24. März 1945 zu recherchieren. Ihr Film erhielt bezeichnender Weise den Titel „Totschweigen“ und genau hier setzen die Sprachoperationen von Jelinek an. Sie schickt in der Tradition des antiken Theaters Boten vor, von den totgeschwiegenen Ereignissen zu berichten, doch diese verstricken sich fortwährend in Widersprüche, verhaspeln sich, verlieren den Faden, lenken ab, täuschen darüber hinweg, reden sich heraus - es entsteht ein beredtes Schweigen und doch reden sich die Boten um Kopf und Kragen.

Das Programm im Detail: