„Ö1 Hörspiel-Gala“: Publikumspreis und Kritikerpreis an „Zrugg“ von Händl Klaus
Bei der vom ORF zum 30. Mal durchgeführten Publikumswahl wählten Ö1-Hörer/innen aus 22 Neuproduktionen des Jahres 2022 ihr „Hörspiel des Jahres“. Sowohl das Publikum als auch die Literatur- und Kulturkritiker/innen-Fachjury entschieden sich für „Zrugg“ von Händl Klaus unter der Regie von Martin Sailer. Damit wurde erstmals der zum 16. Mal vergebene „Hörspielpreis der Kritik“ auch an das vom Ö1-Publikum gewählte Hörspiel vergeben. Die Ergebnisse der Publikums-und Juryentscheidungen wurden im Rahmen der „Ö1 Hörspiel-Gala“ am Freitag, den 24. Februar im ORF-RadioKulturhaus bekannt gegeben. Als „Schauspielerin des Jahres“ wurde Brigitte Karner ausgezeichnet. Erstmals wurde auch ein Preis für „Bestes Sound Design“ eines Hörspiels vergeben. Hier konnte „Was siehst du? Die Nacht!“ von Ludwig Fels unter der Regie von Stefan Weber die Fachjury überzeugen. Ebenfalls ausgezeichnet wurden die Siegerprojekte von „Track 5‘“, dem in Kooperation mit der „schule für dichtung“ ausgeschriebenen Ö1-Kurzhörspiel-Wettbewerb.
Das mit dem „Publikumspreis“ und dem „Kritikerpreis“ ausgezeichnete Stück „Zrugg“ wird am Samstag, den 25. Februar um 14.00 Uhr in Ö1 erneut ausgestrahlt. Der zweite Platz bei der Publikumswahl ging an „LECK MICH!“ von Elisabeth Weilenmann – zu hören am Sonntag, den 26. Februar ab 22.05 Uhr in „Radiokunst - Kunstradio“. Die Siegerprojekte von „Track 5‘“ werden am 4. März im „Ö1 Hörspiel“ (14.00 Uhr) gesendet, „Was siehst du? Die Nacht!“ von Ludwig Fels am 11. März im „Ö1 Hörspiel“ (14.00 Uhr).
„Zrugg“ ist „Hörspiel des Jahres 2022“
Sowohl das Ö1-Publikum als auch die Fachjury aus Literatur- und Kulturkritiker/innen der „Salzburger Nachrichten“, der „Presse“, der „Kleinen Zeitung“, des „Falter“ und des „Standard“ prämierten das Stück „Zrugg“ von Händl Klaus unter der Regie von Martin Sailer zum „Hörspiel des Jahres 2022“. Damit wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Ö1 Hörspiel-Gala der Publikumspreis und der Preis der Kritik an das selbe Hörspiel vergeben.
In „Zrugg“ findet man sich in einem Familientreffen wieder, bei dem viel geredet und gescherzt wurde. Als dieses sich dem Ende zuneigt, schreckt einer aus der Runde, der Dichter Giggi, auf. Ihm ist ein Wort, eine Wendung, die geäußert wurde, entfallen. Er braucht diese, um daraus ein Gedicht zu formen. Deshalb bittet er seine Familie das Gesagte zurückzuholen. Im gedanklichen Retourgang werden Familienepisoden nochmals erzählt. Das Hörspiel ist im Tiroler Dialekt gehalten, was auch den „Zurück“ bedeutenden Titel „Zrugg“ erklärt. Die Jury begründete ihre Wahl so: „Aus einem Gedanken, nämlich der Suche nach dem verlorenen Wort für ein Gedicht, entfaltet sich ein riesiges Panorama einer Tiroler Familie – mit Zeitgeschichte, mit zwischenmenschlichen Untiefen, die angesprochen, aber würdig umschifft werden. ‚Zrugg‘ von Händl Klaus ist ein raffiniertes, vielschichtiges Spiel mit der Sprache, das vom Anfang bis zum Schluss spannend bleibt. Der Tiroler Dialekt ist in diesem Hörspiel elegant, präzise, sorgfältig, hochdifferenziert und kultiviert, das Medium Hörspiel wird virtuos ausgereizt. ‚Zrugg‘ ist ein glorioses Tirol-Sprachspiel mit einer herrlichen Julia Gschnitzer und anderen vorzüglichen Schauspieler/innen. Das Klischee, Dialekt-Sprecher hätten wenig bis nichts zu literarischer Poesie zu sagen, wird durch ‚Zrugg‘ ausgehebelt.“
Der zweite Platz bei der Ö1-Publikumswahl zum „Hörspiel des Jahres“ ging an „LECK MICH!“ von Elisabeth Weilenmann. Die Protagonistin Hannah ist 35 und frisch geschieden. Sie geht zum ersten Mal „online“ und beginnt die unterschiedlichsten Dating-Portale zu erkunden. Das eine nennt sie „die seriöse BeziehungsAPP“, das andere „die SexAPP“. Es ist der Anfang einer intensiven Auseinandersetzung mit ihren Wünschen, ihren Lüsten, ihrem Begehren. Frauen sind, so ist sie überzeugt, von Natur aus promiskuitiv. Sie leben diese Seite nur oftmals nicht offen aus - immerhin wurde die weibliche Sexualität seit der menschlichen Sesshaftwerdung kontrolliert und domestiziert. Und so schwingt Hannahs Pendel zwischen dem Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit und der Sehnsucht nach Leidenschaft und sexueller Verschmelzung. Ob es beides gibt? Ob beides gewollt wird? Ob beides gewünscht wird?
Der dritte Platz ging an „aufsicht - eine Auseinandersetzung mit prekärer Arbeit im Kunstumfeld“ vom Kollektiv Weiter. Eine Aufseherin und ein Kunstwerk teilen sich den Raum in einem bekannten Museum in Europa – innere Monologe thematisieren Kunst und welche Beziehung wir dazu haben. Was kann Kunst heute noch? Welche vorstellbaren Räume lassen sich entdecken? Das Künstlerkollektiv Weiter, bestehend aus Autorin Alexandra Pâzgu, Musiker und Komponist Florian Kmet und Schauspieler Roman Blumenschein, veröffentlichte 2021 sein erstes Hörspiel „Die Eroberung der Stadt“ im Ö1-„Kunstradio“. Als weiterführende Recherche zum Thema Städteflanieren möchte das Kollektiv mit diesem Projekt einmal stillstehen, einatmen und nachdenken.
„Track 5‘“ - die Siegerstücke des Ö1-Wettbewerbs für Kurzhörspiele
„Wie soll ich es sagen?“ war das Motto des Ö1-Kurzhörspielwettbewerbs „Track 5‘“, den Ö1 wieder mit der „schule für dichtung“ ausgeschrieben hatte. Aus den 202 Einreichungen, die die Kriterien erfüllt haben, hat eine Jury zehn Kurzhörspiele nominiert: Die geforderten Kriterien waren neben einer Länge von maximal fünf Minuten ein Original-Ton und der Satz „Wie soll ich es sagen?“. Platz 1 und damit 1.000,- Euro Preisgeld ging an Petra Nachbaur mit „ELTSCHIBISIBJU“. Den zweiten Platz mit 500,- Euro belegte „Nos Itrocs ó Töte den Hund, der an mein Hirn bellt“ von 'ɹ핚ɛ핟. Platz drei ebenfalls mit 500,- Euro ging an das Hörspiel „Vielleicht ist dann gar nichts“ von Johanna Schmidt. Zusätzlich vergab die „schule für dichtung“ zum neunten Mal einen mit 1.000,-Euro dotierten Sonderpreis, der dieses Jahr an Paula van Well und Lara Bäucker für ihr Kurzhörstück „szenen einer zersetzung//der körper“ ging.
Preis für „Bestes Sound Design“ an „Was siehst du? Die Nacht!“ von Ludwig Fels
Dieses Jahr wurde zum ersten Mal der Preis für „Bestes Sound Design“ vergeben. „Was siehst du? Die Nacht!“ von Ludwig Fels unter der Regie von Stefan Weber konnte die Fachjury überzeugen und belegte den ersten Platz. Der Dichter Ludwig Fels erzählt eine Geschichte zweier Menschen, die diese nicht mehr selbst erzählen können. Frühjahr 1944: Die kleine Mirka und ihr Vater, in einem Viehwaggon eines Deportationszuges auf der Strecke vom Ghetto Lódz nach Auschwitz. Mirka voller Leben, aber mit Zweifeln, weil der Nazi-Hund beim Einsteigen ihre Puppe gebissen hat. Der Vater, in Verzweiflung erstickt, versucht zu beruhigen. Kinderfantasie gegen ohnmächtige Notlügen des verehrten Papas. Eilends zusammenerfundene Märchen als Replik auf nicht beantwortbare Fragen. Die Jury begründete ihre Entscheidung folgend: „Mit sparsamen, unaufdringlichen Mitteln wird eine dichte Atmosphäre gestaltet. Schon zu Beginn, lang ohne Worte, trägt das Sounddesign die Geschichte mit geballter, erzählerischer Kraft. Die Komposition von Geräuschen und Musik öffnet Räume und dringt tief in den Gefühlsraum der Zuhörenden – aufgrund der Tragik bis zur Unerträglichkeit. Die Tongestaltung dient ausschließlich der Erzählung, ist aber zugleich entscheidend in einer genauso zarten wie erschütternden Geschichte.“
Eine lobende Erwähnung erhielt „LECK MICH!“ von Elisabeth Weilenmann: „Überzeugt durch souveränen und ungezwungenen Umgang mit Stimmen und Musik, Sound und klanglichen Räumen. Alles ist musikalisch gedacht, geht in seiner ‚Buntheit‘ und ‚Poppigkeit‘ frech über die Hochkultur hinaus.“
Brigitte Karner ist „Schauspielerin des Jahres 2022“
Seit 1997 wählt eine Fachjury die Hörspiel-Schauspielerin oder den Hörspiel-Schauspieler des Jahres. Diesmal fiel die Wahl auf Brigitte Karner für ihre herausragende Leistung in mehr als 30 ORF-Hörspielproduktionen, unter anderem in Thomas Bernhards „Theatermacher“ (2022), im Stück „Doppelgängerscheu“ von Brita Kettner über die Beziehung von Sigmund Freud und Arthur Schnitzler (2022), in Peter Pessls „Das Frauenunglück“ (2018), in Gotthold Ephraim Lessings „Die Juden“ (2016), in „Vom Fehlen des Meeres auf dem Lande“ von Magda Woitzuck (2013), in „Mariaschwarz“ von Heinrich Steinfest (2013), in „Die Strudlhofstiege“ von Heimito von Doderer (2007), in „Der Knochenmann“ von Wolf Haas (2000), in „Gemeinsames Etwas“ von Helmut Peschina (1997) oder „Hotel Savoy“ von Joseph Roth (1994).
„Brigitte Karner gibt Frauenfiguren Wärme, Würde und Witz. Anmutig bis zornig, präzise und beseelt vermittelt sie uns weibliche Lebenswelten. Die Vielfalt der Rollen und die große Zahl an Hörspielproduktionen beweisen, dass die Schauspielerin Brigitte Karner dem Genre Hörspiel immer treu verbunden war“, so die Jurybegründung.
Zu den bisher Ausgezeichneten zählen etwa Rudolf Wessely, Michou Friesz, Martin Schwab, Bibiana Zeller, Peter Simonischek, Peter Matic, Andrea Clausen, Erwin Steinhauer, Chris Pichler, Elisabeth Orth, Cornelius Obonya, Gerti Drassl, Joachim Bißmeier, Markus Hering, Petra Morzé, Markus Meyer, Karl Markovics, Vera Borek, Sylvie Rohrer, Johannes Silberschneider, Franz Schuh und Regina Fritsch.