
ORF/Diagonale/Sebastian Reiser
ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl und Sharon Nuni, ORF-Leiterin TV-Kulturdoku, mit den Gewinnerinnen Danielle Proskar, Weina Zhao und Judith Benedikt
Franz-Grabner-Preis 2022: „Erich Fried – Dichter im Porzellanladen“ beste TV-Doku, „Weiyena – Ein Heimatfilm“ beste Kinodoku
Nach einer pandemiebedingten Pause im Vorjahr wurde zum bereits fünften Mal seit seiner Gründung heute, am Donnerstag, dem 7. April 2022, bei der 25. Diagonale in Graz der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Franz-Grabner-Preis für humanistisches Dokumentarfilmschaffen in den Kategorien TV und Kino verliehen. Die 2017 ins Leben gerufene Auszeichnung im Andenken an den 2015 verstorbenen ORF-Journalisten und langjährigen Leiter der ORF-TV-Kulturdoku würdigt Filmschaffende für ihren im ethischen und moralischen Sinne verantwortungsvollen und glaubwürdigen Umgang mit dem Medium. Als bester Fernsehdokumentarfilm setzte sich das vom ORF koproduzierte Filmporträt „Erich Fried – Dichter im Porzellanladen“ von Danielle Proskar durch, beste Kinodoku wurde die vom ORF im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens unterstützte Produktion „Weiyena – Ein Heimatfilm“ von Weina Zhao und Judith Benedikt.

ORF/Diagonale/Sebastian Reiser
Weina Zhao und Judith Benedikt
Organisiert wird der Franz-Grabner-Preis von Familie Grabner, AAFP, ORF und der Diagonale. Das Preisgeld von jeweils 5.000 Euro pro Film – gestiftet von AAFP und ORF – ist für die Entwicklung des Folgeprojekts der Preisträger/innen bestimmt. Die Verleihung fand im Rahmen eines Festaktes – mit Unterstützung vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, Fernsehfonds Austria, Film Commission Graz und dok.at – statt. Die Festrede hielt der deutsche Filmkritiker und Kurator Dennis Vetter.
ORF-Leiterin TV-Kulturdoku Sharon Nuni: „Kulturell-gesellschaftliche Aussage zu brisanten Themen“
„Der dem Andenken an unseren verstorbenen Kollegen Franz Grabner gestiftete Preis ist uns und der gesamten Branche Auftrag und Verpflichtung, sein Vermächtnis hochzuhalten und zu pflegen: sein Engagement für das österreichische Filmschaffen, seine humanitäre Weltanschauung und sein Mut, neue Wege des Erzählens zu finden und zu fördern“, betont Sharon Nuni, Ressortleiterin der ORF-TV-Kulturdokumentationen.
„Alle Produktionen, die dieses Jahr nominiert waren, lösen diesen Anspruch ein. Sie haben eine kulturell-gesellschaftliche Aussage und behandeln brisante Themen in einer klaren Handschrift. Besonders freue ich mich über die Auszeichnung für ,Erich Fried – Dichter im Porzellanladen‘, eine Produktion, die die Kulturabteilung des ORF-Fernsehens mit ORF-3sat und der epo-film koproduziert hat. Regisseurin Danielle Proskar hat einmal mehr bewiesen, dass sie literarische Inhalte auf zauberhafte Weise erzählen kann, ihre TV-Filme aber trotz ihrer Zugänglichkeit nie an Tiefe verlieren. Erich Fried hat sein Leben lang gegen den Krieg angeschrieben, selbst in Zeiten, als sein radikaler Pazifismus für viele unbequem schien. Umso aktueller scheint sein Porträt in der heutigen Zeit“, so Nuni.
Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber: „Initiiert, um Stellenwert des österreichischen Kino- und Fernsehdokumentarfilms zu stärken“
„Vor mittlerweile sechs Jahren wurde der Franz-Grabner-Preis initiiert, um im Andenken an den Namensgeber den Stellenwert des österreichischen Kino- und Fernsehdokumentarfilms zu stärken. Franz Grabner trat zeitlebens für Qualitätsjournalismus und einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, der politisch unabhängig arbeiten kann und künstlerischen Visionen, auch Experimenten den nötigen Raum einräumt. Ein Anspruch, der gerade in Zeiten von Kriegspropaganda, Fake News und der ungefilterten Ventilation von Verschwörungstheorien mit aller Deutlichkeit betont werden soll“, betonen die Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber.
Begründungen der Expertenjury
Die Bewertung der sechs zum Franz-Grabner-Preis 2022 nominierten Filmproduktionen nahm eine fünfköpfige Fachjury vor, bestehend aus Claudia Wohlgenannt (Filmproduzentin, AT), Djamila Grandits (Kuratorin, AT), Paul Pauwels (Filmproduzent, BE), Nicole Baum (Internationale Fiktion & Dokumentarfilm ZDF/3sat, DE) und Stefan Kloos (Geschäftsführer „Rise and Shine“, DE).
Ihre Begründungen für die Preisträgerfilme lauten folgendermaßen:
Ihre Begründungen für die Preisträgerfilme lauten folgendermaßen:
„Erich Fried – Dichter im Porzellanladen“
„Der gebürtige Wiener Jude Erich Fried (1921–1988) war ab den 1960er bis 1980er Jahren eine Art Popstar der politischen Linken und nicht zuletzt auch Bestsellerautor. Seine Lyriklesungen glichen Kundgebungen, seine Kundgebungen seiner Lyrik. Die Dokumentation von Danielle Proskar erweckt dieses Urgestein des politischen Diskurses wieder zum Leben. In einer klug montierten Collage spürt sie den divergierenden Lebenslinien des Exilanten nach, dessen Vater von den Nazis ermordet worden war. Sie ordnet ein, vermeidet aber platte Zuordnungen. Sie gibt dem Sprachgewaltigen Raum, aber auch seinen Nächsten und Getreuen. Sie zeigt einen Streitlustigen, der immer wieder ins Risiko geht. Der um die eigenen Widersprüche weiß und immer auch die Gegenseite hört. Und so entdeckt sie Erich Fried für uns neu, als einen Urvater des politischen Aktivismus.“ Das konstatierte die Jury in ihrer Begründung.
„Der gebürtige Wiener Jude Erich Fried (1921–1988) war ab den 1960er bis 1980er Jahren eine Art Popstar der politischen Linken und nicht zuletzt auch Bestsellerautor. Seine Lyriklesungen glichen Kundgebungen, seine Kundgebungen seiner Lyrik. Die Dokumentation von Danielle Proskar erweckt dieses Urgestein des politischen Diskurses wieder zum Leben. In einer klug montierten Collage spürt sie den divergierenden Lebenslinien des Exilanten nach, dessen Vater von den Nazis ermordet worden war. Sie ordnet ein, vermeidet aber platte Zuordnungen. Sie gibt dem Sprachgewaltigen Raum, aber auch seinen Nächsten und Getreuen. Sie zeigt einen Streitlustigen, der immer wieder ins Risiko geht. Der um die eigenen Widersprüche weiß und immer auch die Gegenseite hört. Und so entdeckt sie Erich Fried für uns neu, als einen Urvater des politischen Aktivismus.“ Das konstatierte die Jury in ihrer Begründung.

ORF/Catherine Fried-Boswell
Porträt „Erich Fried – Dichter im Porzellanladen“ von Danielle Proskar
„Weiyena – Ein Heimatfilm“
„Zuhören und sehen – was gesagt wird und was ungesagt bleibt. Ein verletzliches Unterfangen im Erinnern und Befragen der eigenen Familiengeschichte. Ein intimes transgenerationales Porträt: mit Blick auf Migrationsgeschichte, auf Lebensrealitäten in China, während und nach der Diktatur. Auf Gräben, Brüche und Widersprüche im Erzählen von Geschichte. Getragen von sensibler und schöner Kameraarbeit entsteht ein liebevoller Blick auf ein Netz an Personen, auf Fragmente ihrer Leben und die Verbindungslinien, die die Filmemacherinnen zu einer dichten Textur zusammenweben. Das Filmemachen erlaubt Weina Zhao einen Rollen- und Perspektivwechsel und ermöglicht somit ein Erforschen und Begreifen der Dinge unter den Oberflächen. Es gelingt ein feinsinniger Film, getragen von einem persönlichen Ansatz. Ein Film, der sich nicht scheut, seine dokumentarische Methode offenzulegen.“ Mit diesen Worten begründete die internationale Jury ihre Entscheidung.
„Zuhören und sehen – was gesagt wird und was ungesagt bleibt. Ein verletzliches Unterfangen im Erinnern und Befragen der eigenen Familiengeschichte. Ein intimes transgenerationales Porträt: mit Blick auf Migrationsgeschichte, auf Lebensrealitäten in China, während und nach der Diktatur. Auf Gräben, Brüche und Widersprüche im Erzählen von Geschichte. Getragen von sensibler und schöner Kameraarbeit entsteht ein liebevoller Blick auf ein Netz an Personen, auf Fragmente ihrer Leben und die Verbindungslinien, die die Filmemacherinnen zu einer dichten Textur zusammenweben. Das Filmemachen erlaubt Weina Zhao einen Rollen- und Perspektivwechsel und ermöglicht somit ein Erforschen und Begreifen der Dinge unter den Oberflächen. Es gelingt ein feinsinniger Film, getragen von einem persönlichen Ansatz. Ein Film, der sich nicht scheut, seine dokumentarische Methode offenzulegen.“ Mit diesen Worten begründete die internationale Jury ihre Entscheidung.

ORF/ÖFI
Familienporträt „Weiyena – Ein Heimatfilm“ von Weina Zhao und Judith Benedikt als Rückblick auf 100 Jahre chinesischer Geschichte.
Nominiert in der Kategorie TV waren weiters die ORF-Koproduktion; „Aller Anfang – Der Weg der Hebammen“ von Karin Berghammer und der ORF-„Am Schauplatz“-Zweiteiler „Ischgl im Ausnahmezustand“ und „Das große Schweigen“ von Ed Moschitz. In der Kategorie Kino waren außerdem „WOOD – Der geraubte Wald“ von Ebba Sinzinger, Michaela Kirst und Monica Lăzurean-Gorgan sowie „Marko Feingold – Ein jüdisches Leben“ von Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer und Roland Schrotthofer – beide ebenfalls vom ORF im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens geförderte Produktionen – im Rennen.