Franz-Grabner-Preis 2019: „Leben für den Tod“ beste TV-Doku, „Waldheims Walzer“ beste Kinodoku
Heute, am Donnerstag, dem 21. März 2019, wurde im Rahmen der 22. Diagonale in Graz der Franz-Grabner-Preis für humanistisches Dokumentarfilmschaffen in den Kategorien TV und Kino verliehen. Die Auszeichnung, die in Andenken an den 2015 verstorbenen ORF-Journalisten und langjährigen Leiter der ORF-TV-Kulturdoku heuer bereits zum dritten Mal vergeben wurde, ging an zwei Filme mit ORF-Beteiligung: Ruth Beckermanns bei der Berlinale 2018 ausgezeichnetes und im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens vom ORF kofinanziertes Kino-Essay „Waldheims Walzer“ über die Aufdeckung der Kriegsvergangenheit des ehemaligen UN-Generalsekretärs und Österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim, sowie an die Fernsehdokumentation „Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof“ von Karin Berghammer und Krisztina Kerekes, die ungewöhnliche Einblicke in den Arbeitsalltag an Österreichs berühmtester Ruhestätte gewährt.
ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl: „Überzeugend, innovativ und in besonderer Erzählweise“
„Der vom ORF mitgegründete und -gestiftete Franz-Grabner-Preis steht für humanitäre Weltanschauung und unbestechlichen, kritischen Journalismus. Es werden Filme ausgezeichnet, die inhaltlich überzeugen, aber auch filmisch innovativ sind und sich einer besonderen Erzählweise bedienen“, betont ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl. „Das trifft auf alle drei TV-Finalisten und vor allem auf unseren Siegerfilm zu. Bemerkenswert ist, dass alle nominierten Fernsehdokus in diesem Jahr von Frauen gestaltet worden sind. Das ist ein starkes Zeichen und gibt Hoffnung auf eine Zukunft völliger Gleichberechtigung in der Filmbranche. Und besonders freut uns natürlich, dass alle drei nominierten TV-Filme in Zusammenarbeit mit der Kulturabteilung des ORF entstanden sind“, so Traxl.
„Franz Grabner stand zeitlebens für qualitätsvollen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und die nominierten Kino- und Fernsehfilme des diesjährigen Franz-Grabner-Preises sind Plädoyers für die Genauigkeit im Umgang mit der Welt. Wir freuen uns sehr, dass der Franz-Grabner-Preis heuer bereits zum dritten Mal in den Kategorien Kinodokumentarfilm und Fernsehdokumentarfilm in Graz vergeben wird“, so die Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber.
Das Preisgeld von jeweils 5.000 Euro wurde von den Produktionsverbänden AAFP und Film Austria sowie vom ORF gestiftet und ist für die Entwicklung des Folgeprojekts der Preisträger/innen bestimmt. Initiiert wurde die Auszeichnung von Familie Grabner, AAFP, Film Austria, ORF und der Diagonale mit dem Ziel, Filmschaffende für ihren im ethischen und moralischen Sinne verantwortungsvollen und glaubwürdigen Umgang mit dem Medium zu prämieren und diesen damit weiter zu fördern.
Die Begründung der Expertenjury
Die Bewertung der insgesamt sechs nominierten Filmproduktionen nahm eine sechsköpfige Fachjury vor, bestehend aus: Anja Salomonowitz (Filmregisseurin, AT), Simone Baumann (Filmproduzentin, DE), Christian von Brockhausen (Doku-Regisseur NDR, DE), Dennis Vetter (Filmkritiker, DE), Christa Ulli (Redakteurin SRF, CH) und Paul Pauwels (Direktor European Documentary Network, DK). Ihre Begründungen (in Auszügen) lauten folgendermaßen:
„Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof“:
Die Filmemacherinnen Karin Berghammer und Krisztina Kerekes filmen ihre Ballade vom Leben und Tod, indem sie über das Personal erzählen, die Nebenfiguren, die fast unsichtbar ihr Tagwerk verrichten – auf einem der größten Friedhöfe Europas. Sie beobachten, sie lassen erzählen, sie behalten die Ruhe. Und so verliert man sich in diesen kleinen Erzählungen übers Sterben, über ‚Versenkungsapparate‘ und über Honig vom Friedhof. Und das ist gut so, weil es damit normal wird. ‚Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof‘ ist ein Gespräch über Tod, ohne viel zu quasseln, viel mehr zu beobachten, zu schauen, zu verstehen. Ein Ort, wo Menschen nie Vergangenheit werden. Eine kleine Lücke in der Zeit. Noch nie wurde die letzte Ehrenrunde unserer Verstorbenen so frech, so schön erzählt. Großes Handwerk.“
„Waldheims Walzer“:
„Aus dem Vertrauen in die Kraft des Kinos heraus entstand ein Filmessay, das sich mit Fakten nicht zufrieden gibt, sondern die widerstreitenden Kräfte einer Gesellschaft spürbar machen will. Historische und persönliche Wahrheiten werden gegeneinander in Stellung gebracht und die Realität entlarvt sich in ihren extremsten Formen selbst. Das aufmerksame Betrachten wird zu einem scharfsinnigen Akt der Kritik. Die Regisseurin besitzt die Courage, sich aus ihrer filmischen Ungleichung nicht herauszunehmen und positioniert sich im Widerstreit um das politische Gesicht ihres Landes unmissverständlich auf der Seite Demonstrierender. Mit ihrer Kamera steht Ruth Beckermann seit Jahrzehnten für ein österreichisches Kino, das nicht an der Seite verharrt, sondern sich mitten aufs politische Terrain begibt.“
In der Kategorie „Fernsehdokumentarfilm“ waren außerdem die Produktionen „Frauenbilder – Gegenbilder“ von Barbara Weissenbeck über die großteils in Vergessenheit geratenen Künstlerinnen der Wiener Moderne sowie Jennifer Reznys „Nie genug – Der Körperkult in den sozialen Medien“ nominiert. Weitere nominierte Kinodokumentarfilme waren die mit Mitteln des ORF-Film/Fernseh-Abkommens unterstützten Projekte „Bruder Jakob, schläfst du noch?“ von Stefan Bohun – eine sehr persönliche Auseinandersetzung von vier Brüdern mit dem Selbstmord des fünften – und „Zu ebener Erde“ von Birgit Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani über Obdachlosigkeit und deren Bewältigung,