ORF/Constanze Grießler
„Die Abschaffung der Geschlechter – Typisch Mann, typisch Frau, typisch Was?“ am 25. Juli um 20.15 Uhr in 3sat
Nach der Anerkennung des dritten Geschlechts durch den Österreichischen Verfassungsgerichtshof am 29. Juni muss es künftig neben „weiblich“ und „männlich“ einen dritten Geschlechtseintrag im Behördenregister geben. Auch abseits dieses Entscheids löst sich die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau immer mehr auf. Welche Rolle spielt das Geschlecht in unserer Gesellschaft? Und was bedeutet es, zwischen den Geschlechtern zu stehen? Sexismusdebatte, Ehe für alle, drittes Geschlecht. Wir befinden uns in einem Umbruch, einer Erschütterung jahrhundertealter Traditionen: Im deutschen Personenstandsrecht, so entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht, muss es künftig mehr als zwei Geschlechter geben. Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Männermagazins „Playboy“ ziert zum Beispiel eine Transsexuelle den Titel. Was heutzutage als „normal“ gilt, wird gerade neu verhandelt. Knapp über drei Prozent der deutschen, österreichischen und Schweizer Bevölkerung befinden sich zwischen „Mann- und Frausein“. Entweder weil sie heute ein anderes Geschlecht haben als bei ihrer Geburt oder weil sie sich weder mit dem einen noch mit dem anderen identifizieren.
Erhebliches Aufsehen erregt die „Toilettenfrage“. Soll es für Menschen, die sich weder als Mann oder Frau fühlen, eigene Klos in öffentlichen Gebäuden geben? Oder soll hier die Einteilung nach Geschlecht abgeschafft werden? Eine Frage, mit der Menschen wie Katta täglich konfrontiert werden. Katta versteht sich als nicht-binär: „Es geht ja nicht darum, dass ich etwas Besonderes sein will. Selbst bei einem Formular, wenn man die Adresse ausfüllt, wenn man Katzenfutter bestellt, ist die Option „Mann oder Frau“ Pflichtfeld. Beides trifft aber für mich nicht zu. Ich will einfach nur so akzeptiert werden, wie ich bin.“ Laut Umfragen lehnen in den USA zwölf Prozent der 20-Jährigen ab, sich in die Kategorien Mann und Frau einzuordnen, auf Facebook kann man derzeit aus 60 verschiedenen Angeboten wählen, wie „genderfluid“ oder „gendervariabel“.
Erik Schinegger allerdings hatte nicht die Wahl, er hat den „Geschlechterslalom“ am eigenen Leib erfahren. 1966 wurde er, damals noch als Erika Schinegger, mit 18 Jahren Abfahrtsweltmeisterin. Im Zuge eines Chromosomentests stellte man fest: Erika, der heute Erik heißt, war genetisch eindeutig ein Mann – allerdings mit nach innen gewachsenen Geschlechtsteilen. Er selbst wusste bis zu dem Moment nichts davon: „Bin ich denn gar nix?“, fragte er sich damals. Die Medaille musste der heute 70-Jährige zwar nicht zurückgeben, doch die Sportkarriere war ein für alle Mal beendet. Nach seiner Geschlechtskorrektur wurde er zum regelrechten Macho – natürlich mit Porsche. In unzähligen Kartons, Alben und Fotowänden hat er seine Erinnerungen archiviert, lässt die Stationen seiner Geschichte Revue passieren: „Mein ganzes Leben war ein Kampf. Vergessen kann ich das nicht.“ Dennoch hatte Schinegger geradezu Glück im Unglück, denn viele intersexuelle Kinder werden nach wie vor ohne medizinische Notwendigkeit operiert, zur Frau oder zum Mann gemacht.
Die Einteilung der Welt in Rosa und Hellblau ist heute so sichtbar wie nie, immer mehr Produkte sind vermeintlich auf Männlein oder Weiblein abgestimmt. Stevie Schmiedel, Gründerin der Initiative „Pinkstinks Germany“ sagt: „Gendermarketing verstärkt alte Rollenbilder. Früher gab es „Bobbycars“, LEGO oder „Überraschungseier“. Heute gibt es für Mädchen rosa Autos, für Burschen blaue. Also hat sie sich einen „Positiv-Preis“ für Firmen überlegt, die eben genau nicht mit stereotypen Bildern arbeiten.
ORF/Constanze Grießler
Doch auch der Backlash lässt nicht auf sich warten, vielen geht der „Genderwahn“, das „Genderwirrwarr“ definitiv zu weit. Wie dem streitbaren Kolumnisten Harald Martenstein, der sich in dem Film mit Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien, einen verbalen Schlagabtausch zu folgenden Themen liefert: Geschlecht, Binnen-I, Quotenfrauen, typisch männliches beziehungsweise weibliches Verhalten sowie Political Correctness. Außerdem gehen sie der Frage nach, ob wir heutzutage eine „Kultur des Beleidigt-Seins“ pflegen.