„Ö1 jandlt“: ein Thementag am 1. August anlässlich des 100. Geburtstages von Ernst Jandl
Anlässlich des 100. Geburtstages des im Jahr 2000 verstorbenen Ernst Jandl widmet Ö1 dem österreichischen Schriftsteller und Dichter am Freitag, den 1. August den Thementag „Ö1 jandlt“ mit verschiedenen Sendungen und ganztags ins Programm gestreuten Original-Ton-Juwelen des Avantgardisten. Diese sind nachhörbar unter https://oe1.orf.at/ernstjandl.
Schon ab Montag, den 28. Juli spricht Literaturkritiker und Übersetzer Cornelius Hell in den „Gedanken für den Tag“ bis Samstag, den 2. August jeweils um 6.57 Uhr unter dem Titel „längst schon versuche ich / die gängigsten gebete zu rekonstruieren“ über Jandl.
Am Donnerstag, den 31. Juli ist ab 21.00 Uhr ein „Im Gespräch“ aus dem Jahr 1988 zu hören, das Peter Huemer unter dem Titel „Ich züchte mir mein Gedicht“ mit der Schriftstellerin Friederike Mayröcker führte. Huemer spricht mit der Lyrikerin über ihre Art des Arbeitens und über die Frage, wie ein Gedicht entsteht. Um „ihr Leben inmitten der Sprache“, wie es Ernst Jandl formulierte, um ihre Kindheit, den Einfluss der Literatur auf die Gesellschaft und um die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerliteratur geht es in diesem Gespräch, und natürlich sind auch von Friederike Mayröcker selbst vorgetragene Gedichte zu hören. Das Künstler:innen-Paar Mayröcker/Jandl hatte sich bereits in den 1950er-Jahren kennengelernt.
Ein Ö1-Tag im Zeichen Ernst Jandls
Von „sprechblasen“ bis zu „lechts und rinks“ – niemand spricht Jandl besser als Jandl. Ö1 streut am Freitag, den 1. August Original-Ton-Juwelen des populärsten der österreichischen Avantgardisten ganztags ins Programm ein. Beginnend in „Guten Morgen mit Ö1“ (6.10 Uhr) geht der Thementag „Ö1 jandlt“ weiter in den „Radiogeschichten Spezial“ (11.05 Uhr). Zu hören ist Ernst Jandls Vortrag „Zweifel an der Sprache“, den er beim gleichnamigen Literatursymposion im steirischen herbst 1973 hielt. Eine Demonstration jandlscher Sprachakribie und für Veranstalter ein Lehrstück in Sachen Sorgfalt bei der Wahl des Titels.
Literaturwissenschafterin Vanessa Hannesschläger und Schauspieler Wolfram Berger sprechen in „Punkt Eins“ (13.00 Uhr) über „Die Strahlkraft der Sprache und des Sprachspiels“. „In Concert“ (14.05 Uhr) bringt eine Aufnahme vom diesjährigen Festival „Glatt & Verkehrt“, wo die Sängerin und Gitarristin Anna Mabo und Cellist Clemens Sainitzer ihre „Lieder nach Ernst Jandl“ uraufgeführt haben. Das Duo vertonte ausgewählte Texte des Wiener Sprachavantgardisten neu – eine Begegnung von experimenteller Dichtung und zeitgenössischer Musik.
„Die Welt ist laut – laut ist schön!“ lautet der Titel eines „Im Gespräch“ (16.05 Uhr) aus dem Jahr 1988, das Peter Huemer mit dem Lyriker Jandl führte. Ab den 1950er-Jahren veröffentlichte Jandl Gedichte, Hörspiele, Essays und Übersetzungen, darunter Werke der englischsprachigen Lyrik, etwa von Gertrude Stein. Zu seinen bekanntesten Texten zählt das Gedicht „schtzngrmm“ (1957), das sich mit Sprache und Krieg auseinandersetzt. Jandl beschäftigte sich intensiv mit Laut- und konkreter Poesie. Er trat auch als Sprecher seiner eigenen Texte auf, oft in Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Friederike Mayröcker, mit der er eine langjährige Lebens- und Arbeitsgemeinschaft bildete.
Die „Spielräume“ (17.30 Uhr) bringen frühe und spätere Jandl-Vertonungen unter anderem mit Mathias Rüegg, Lauren Newton, Klaus Dickbauer, Wolfgang Puschnig, Wolfram Berger, Christian Muthspiel und natürlich Ernst Jandl selbst.
„Weltgebräuche“ und „JazzJandl“
Ab 19.30 Uhr ist ein zweiteiliges „Ö1 Konzert“ zu hören und dazwischen das Feature „JazzJandl“ (20.15 Uhr). Den Auftakt macht „Weltgebräuche“ – eine Dreiviertelstunde mit Ernst Jandl, Rezitation, Martin Haselböck, Orgel, und Christian Muthspiel, Posaune. Weniger bekannt als Jandls Kooperation mit Jazzern sind die Auftritte des Schriftstellers mit Organist und Posaunist. „Weltgebräuche“ nannte Organist Martin Haselböck sein auf rezitierten Jandl-Texten beruhendes Projekt mit Posaunist Rudolf Josel. Nach Jahren des Improvisierens entschloss man sich zu einem Auftritt mit dem Projekt „Weltgebräuche“ am 26. Oktober 1986 in der Grazer Stadtpfarrkirche, dem dann schlussendlich die Bezeichnung „Uraufführung“ gegönnt wurde. In diesem Mitschnitt vom „ORF musikprotokoll“ spielt den Posaunenpart allerdings der junge Christian Muthspiel.
Das Feature „JazzJandl“ (MDR, 2008) steht ab 20.15 Uhr auf dem Ö1-Programm. Ausgangsmaterial für die Sendung von Bert Noglik war ein Gespräch über den Jazz anlässlich eines Besuches bei Ernst Jandl. Einige Jahre nach dessen Tod zog es Noglik erneut in die frühere Wohnumwelt Jandls im 4. Wiener Gemeindebezirk. Er befragte Nachbarinnen und Anwohner nach ihren Erinnerungen an den Dichter. In einer Montage aus diesen Aufnahmen, dem Interview mit Ernst Jandl und Jazzeinblendungen entstand im Studio eine live produzierte Collage mit der Sängerin Lauren Newton und dem Klangkünstler Frank Schulte. Das Feature kreist um zentrale Themen des Dichters wie das Wechselverhältnis von Sprache, Rhythmus und Klang, den Einfluss des Jazz auf Jandls literarisches Schaffen, sein Verhältnis zum Alter und zur Endlichkeit, zu Jazz und Literatur im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft sowie zur Kunst als Medium des Widerstands.
Ab 21.10 Uhr geht es um Ernst Jandl und die Musik. Auf dem Programm stehen Ausschnitte aus der „bist eulen“-Produktion mit Ernst Jandl, Lauren Newton, Wolfgang Puschnig, Woody Schabata und Mathias Rüegg, sowie aus der ebenfalls von Lauren Newton und Mathias Rüegg inszenierten Produktion „lieber ein saxophon“. Und es erklingen Erinnerungen von Ernst Jandl selbst sowie einige seiner „stanzen“, die er gemeinsam mit Akkordeonist Erich Meixner aufführte und aufnahm.
„für und mit ernst“ lautete der Titel einer Soloperformance von Christian Muthspiel für und mit Ernst Jandl, die im Rahmen des Brucknerfests 2008 zur Aufführung gelangte. Einspielungen von 20 von Jandl selbst vorgetragenen Gedichten traten in einen Dialog mit Christian Muthspiels vielfältigem akustischen und elektronischen Instrumentarium – der Mitschnitt ist zu hören in „Sound Art: Zeit-Ton“ (23.03 Uhr).
Auch die „Ö1 Jazznacht“ (23.03 Uhr) am Samstag, den 2. August steht ganz im Zeichen von Jandl. Zu hören ist etwa Dieter Glawischnigs in den 1980er Jahren entstandene großformatige Orchester-Komposition „laut und luise“, aufgeführt von Jandl selbst und der Hamburger NDR-Bigband. Mit dem Literaturwissenschafter Helmut Neundlinger wird ein profunder Jandl-Kenner zu Gast im Studio sein. Auch die Sängerin und Gitarristin Anna Mabo und der Cellist Clemens Sainitzer haben sich mit Ernst Jandls Oeuvre beschäftigt, und zwar aus ihrer Perspektive als Songwriter:innen – sie sprechen über ihre Faszination für Ernst Jandl und erörtern, welche Bedeutung sein Werk heute hat.
Das Programm von Ö1 im Detail ist abrufbar unter https://oe1.orf.at/.