ORF/Thomas Jantzen
„Universum History“-Doku „Verfolgte Liebe – Die Männer mit dem Rosa Winkel“ im Admiral Kino präsentiert
Josef Kohout aus Wien ist der erste homosexuelle KZ-Häftling, der seinen Leidensweg öffentlich gemacht hat – wenn auch unter Pseudonym. Sein Schicksal steht im Mittelpunkt des zweiten Teils der „Universum History“-Serie über „Meilensteine queerer Geschichte“ von Regisseur Fritz Kalteis. In den 1920er Jahren erlebt die Lesben- und Schwulenszene in Berlin und Wien eine erste Blüte. Doch mit der Machtübernahme der Nazis ist alles vorüber. Der Österreicher Josef Kohout wird als verurteilter Homosexueller fünf Jahre lang in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Flossenbürg interniert. Dort muss Kohout den berüchtigten Rosa Winkel tragen. Kohout überlebt – und seine Lebensgeschichte wird später unter dem Titel „Die Männer mit dem Rosa Winkel“ zum Schlüsselwerk der zweiten schwul-lesbischen Bewegung. ORF 2 zeigt die Neuproduktion „Verfolgte Liebe – Die Männer mit dem Rosa Winkel“ anlässlich des „Pride Month 2024“ am Dienstag, dem 21. Mai 2024, um 21.05 Uhr.
Dargestellt wird Josef Kohout von Jungstar Stefan Gorski, der für „Ein ganzes Leben“ jüngst mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde und aktuell als „Bester männlicher Hauptdarsteller“ auch für den Österreichischen Filmpreis nominiert ist. Kammerschauspieler Michael Dangl spielt den Autor Hanns Neumann und Markus Freistätter den sadistischen Lagerleiter Karl Fritzsch. Almdudler-Eigentümer Thomas Klein, seit Jahren einer der aktivsten Unterstützer der hiesigen Pride-Bewegung, hat als Kohouts Lebensgefährte Willi Kröpfl einen Überraschungsauftritt.
Der ORF, V-Set und Feature Film luden am Donnerstag, dem 16. Mai, zur Präsentation des Films ins Wiener Admiral Kino. „Universum History“-Sendungsverantwortliche Caroline Haidacher, Regisseur Fritz Kalteis und V-Set-Produzentin Alex Wieser erläuterten dabei im Gespräch mit Historiker Hannes Sulzenbacher von QWIEN, dem Zentrum für queere Geschichte in Wien, sowie den Darstellern Stefan Gorski und Michael Dangl die Entstehungsgeschichte und Bedeutung der Dokumentation. Ebenfalls unter den Premierengästen: Armin Luttenberger, Leiter Content Sales International bei der ORF-Enterprise, sowie Markus Freistätter und Almdudler-Eigentümer Thomas Klein.
„Universum History“-Chefin Caroline Haidacher: „Im Pride Month wird die Diversität gefeiert, für uns auch Anlass, an jene queeren Menschen zu erinnern, die verfolgt, inhaftiert oder ermordet wurden. Josef Kohout hatte den Mut, seine Geschichte zu erzählen. Er repräsentiert die Tausenden queeren Opfer des Nationalsozialismus.“
Regisseur Fritz Kalteis: „Kohouts Schicksal steht stellvertretend für jenes Zehntausender Männer und Frauen, die wie Josef Kohout von den Nazis nur deshalb verfolgt wurden, weil sie anders liebten, als es die Bevölkerungspolitik der Nationalsozialisten vorsah.“
Alex Wieser, Produzentin und Franz-Grabner-Preisträgerin 2024 in der Sparte Dokumentarfilm: „Es war extrem mutig von Josef Kohout, als erster das Schweigen zu brechen. Das macht seine Geschichte so wichtig – auch um zu verstehen, warum es heute noch Queerfeindlichkeit gibt.“
Historiker Hannes Sulzenbacher, QWIEN: „Nach dem Krieg geht die strafrechtliche Verfolgung vor allem homosexueller Männer weiter. In diesem Klima ist Josef Kohout der erste Rosa-Winkel-Häftling, der es wagt, seine Geschichte öffentlich zu machen: Der politische Appell, den er da eindeutig mitliefert, ist: ,Ihr müsst uns als Opfer anerkennen‘.“
Stefan Gorski, Kohout-Darsteller: „Josef Kohouts Geschichte berührt das Herz und lässt einen nur den Kopf schütteln über die Absurdität der Kriminalisierung von Homosexualität. Ich hoffe, dass dieser Film dazu beiträgt, das Bewusstsein für die historischen Ungerechtigkeiten zu schärfen und einen Dialog über die Bedeutung von Gleichberechtigung und Respekt zu fördern. Es darf in Zukunft keinen Ort mehr auf der Welt geben, an dem sich ein Mensch für seine Liebe oder sexuelle Orientierung rechtfertigen oder gar verfolgt fühlen muss. Dass ich die Ehre bekommen habe, so eine historisch wichtige Figur dazustellen, erfüllt mich Stolz und ich bedanke mich sehr dafür."
Michael Dangl zu seiner Rolle des Hanns Neumann: „Das Besondere ist zum einen die historische Bedeutung, die dieses Buch hat, und zum anderen die Brisanz, unter der die Treffen zwischen diesen beiden Menschen stattgefunden hat. Es war ja nicht selbstverständlich, dass es zum Gespräch zwischen Kohout und Neumann kommt. Wenn es nicht gestimmt hätte zwischen den beiden, wäre wahrscheinlich nach der ersten Begegnung Schluss gewesen. Hanns Neumann hat ganz vorsichtig gelebt, er hat sehr darauf Wert gelegt, dass seine Homosexualität nicht nach außen dringt. Was das für so einen Menschen bedeutet hat, sich diesem Wagnis auszusetzen, das es damals wirklich noch war, zeigt, dass er leidenschaftlich davon besessen war, dass es zu dieser Aufarbeitung kommen muss.“
Mehr zum Inhalt:
Wien, Ende der 1960er Jahre: Unter strenger Geheimhaltung erzählt Josef Kohout (gespielt von Stefan Gorski) dem Autor Hanns Neumann (Michael Dangl) von seiner Zeit in der Hölle. Wie Tausende andere homosexuelle Männer war er im Winter 1940, nach zehn Monaten in Gestapo-Haft, im KZ gelandet. Mit dem „Rosa Winkel“ gebrandmarkt, wird er fünf Jahre lang gedemütigt und gequält. Kohout überlebt – auch, weil er sich in ein System aus sexueller Ausbeutung fügt. Dennoch wird ihm nach 1945 von den österreichischen Behörden jede Entschädigung als NS-Opfer verweigert. Der Grund: Homosexuelle Männer gelten in Österreich ebenso wie in Deutschland weiterhin als Kriminelle. Kohout wird bis zum Ende seines Lebens gegen dieses Unrecht ankämpfen – vergeblich.
Basierend auf Josef Kohouts Erinnerungen erscheint schließlich 1972 das Buch „Die Männer mit dem Rosa Winkel“, wenn auch unter einem Pseudonym. Der erste Erfahrungsbericht eines schwulen KZ-Insassen wird in den späten 1970er und 1980er Jahren von der zweiten schwul-lesbischen Bewegung entdeckt und gilt heute als Schlüsselwerk der queeren Geschichte. Der Rosa Winkel wandelt sich durch Kohout vom Stigma zum Zeichen der frühen Pride-Bewegung.
„Regenbogenparade 2024 – Pride and Party. Live dabei.“ am 8. Juni in ORF 1; „A Very English Scandal“ am 7. Juni in ORF 1
ORF 1 überträgt auch heuer wieder das Highlight des Pride-Month live von der Wiener Ringstraße: die „Regenbogenparade 2024 – Pride and Party. Live dabei.“ ist am Samstag, den 8. Juni, von 13.30 bis 16.30 Uhr zu sehen. Oliver Polzer und Dragqueen Grazia Patricia kommentieren die Parade. Fanny Stapf und ORF-1-Reporter:innen berichten mitten aus dem Geschehen, führen spannende Talks, bieten Einblicke hinter die Kulissen und liefern überraschende Momentaufnahmen.
Am Freitag, dem 7. Juni, zeigt ORF 1 ab 23.55 Uhr die Golden-Globe- und Emmy-nominierte dreiteilige Miniserie „A Very English Scandal“ über einen der größten politischen Skandale im England der 1970er Jahre mit Hugh Grant und Ben Whishaw.