ORF/Hans Leitner
„Universum History“-Doku „Aufstand im Bordell – Frauenhandel um 1900“ im Filmhaus Kino am Spittelberg präsentiert
November 1906: Die Bordellbesitzerin Regine Riehl wird vom k.k. Landesgericht Wien zu dreieinhalb Jahren Kerker verurteilt. Sie hat junge Prostituierte in ihrem Haus eingesperrt, ausgebeutet und misshandelt. Eine von ihnen, Marie König, hat den Aufstand gewagt und sich einem Journalisten anvertraut. Seine Veröffentlichungen lösen einen Skandal aus, der die Wiener Gesellschaft erschüttert und ihre Doppelmoral offenbart. Zugleich werfen Marie Königs Enthüllungen ein scharfes Licht auf die Abgründe des weltweiten Prostitutionsgeschäfts des Fin de Siècle.
Die bewegende, auf den originalen Prozessakten basierende „Universum History“-Neuproduktion „Aufstand im Bordell – Frauenhandel um 1900“ von Stefan Ludwig spannt im Rahmen des ORF-Programmschwerpunkts zum Weltfrauentag am Dienstag, dem 5. März 2024, um 21.05 Uhr in ORF 2 den Bogen von Wien über Hamburg bis Buenos Aires. Die mit Maria Hofstätter in der Rolle von Regine Riehl, Alice Prosser als Marie König und Markus Schleinzer als Richter Feigl hochkarätig besetzte österreichische Produktion entstand als Koproduktion von ORF, NDR-ARTE und Geyrhalter Film, gefördert vom Fernsehfonds Austria und Filmfonds Wien, mit Unterstützung von VAM und ORF-Enterprise.
Der ORF und Geyrhalter Film luden heute, Freitag, 23. Februar, zur Präsentation des Films ins Filmhaus Kino am Spittelberg in Wien. Im Gespräch mit „Universum History“-Redakteurin Judith Brandner erläuterten in Anwesenheit von ORF-Generaldirektor Mag. Roland Weißmann Markus Glaser, Produzent Geyrhalter Film, „Universum History“-Sendungsverantwortliche Caroline Haidacher, Regisseur Stefan Ludwig sowie Historikerin Gudrun Wolfgruber-Thanel und Maral Sayan, stellvertretende Leiterin vom Verein LEFÖ – Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel, die Entstehungsgeschichte und Bedeutung der Dokumentation. An der Veranstaltung nahmen weiters Claudia Cellarius, Abteilungsleiterin NDR/ARTE, und die Darsteller:innen Gina Christof, Fanny Altenburger, Julia Wozek und Clemens Aap Lindenberg teil.
ORF/Roman Zach-Kiesling
Markus Glaser, Produzent Geyrhalter Film: „Ungleichbehandlung und Gendergerechtigkeit sind die Themen der Stunde. Vor dem Hintergrund der #metoo-Diskussion und der Retro-Rache von Bewegungen in ganz Europa, die die Emanzipation der Frauen wieder zurückdrängen wollen, ist ‚Aufstand im Bordell‘ ein zeitgemäßer, gesellschaftspolitisch relevanter und höchst aktueller Film.“
Caroline Haidacher, ORF-Sendungsverantwortliche „Universum History“: „Mit dieser außergewöhnlichen Produktion gibt ‚Universum History‘ jenen Akteurinnen eine Stimme, die zu den diskriminiertesten und unsichtbarsten Gruppen gehören: den Sexarbeiterinnen. Selbstverständlich haben auch sie in der österreichischen Geschichte eine Rolle gespielt und durch ihren Mut, vor Gericht auszusagen, eine europaweite Debatte ausgelöst. Die Geschichte dieser Frauen muss erzählt werden, ihnen – Frauen wie Marie König, Marie Pokorny, Marie Winkler, Anna Christ – gehört ein Denkmal gesetzt. Auch um zu zeigen, wie wenig sich in manchen Bereichen im gesellschaftlichen Umgang mit Frauen in den vergangenen 120 Jahren verändert hat.“
Stefan Ludwig, Regisseur: „Die Riehl-Akten faszinieren mich immer wieder neu: Sie sind ein Stück ‚Geschichte von unten‘, ein Stück Frauengeschichte und ein ganz seltenes historisches Dokument: Hier treten ein Bordellbetrieb um 1900, der Alltag der Sexarbeiterinnen und die enorme Zivilcourage der Frauen detailreich und ungeschminkt zu Tage. Der Prozess gegen die Bordellchefin Riehl war ein Wendepunkt: Sexarbeiterinnen ließen sich Einschüchterung und Stigmatisierung nicht mehr gefallen und forderten vor Gericht ihre Rechte ein. Die Prozessakten erzählen eine beeindruckende Geschichte vom harten Alltag im Bordell, aber auch von Mut und Zusammenhalt.“
Weitere Statements zur Produktion:
Maria Hofstätter: „Es ist erschreckend, wie wenig sich geändert hat in den letzten 120 Jahren: Schulden, Sklaverei und Abhängigkeiten, die es Frauen sehr schwer machen, wieder auszusteigen. Geschichten wie diese spielen sich heute genauso ab wie damals.“
Markus Schleinzer: „Der Mut dieser Frauen ist bewundernswert – und der Film ist auch eine Geschichte über Zivilcourage: Menschen, die unter schwierigsten Bedingungen ihr Leben fristen mussten, taten sich zusammen und schafften auf diese Art gesellschaftliche Veränderungen. Das ist das, was mich an der Geschichte so berührt.“
Alice Prosser: „Marie König ist ein zeitloses Vorbild für mutige Frauen, die sich gegen eine Welt der Unterdrückung wehren. Es war ein Privileg, dieser historischen Persönlichkeit erneut Leben verleihen zu dürfen! Ihre Geschichte ist nach wie vor aktuell: Kampfgeist für Veränderung der Frauenrolle im System.“