Dieser Browser ist veraltet, daher ist die Seitendarstellung fehlerhaft.

Jo Baiers historisches Drama „Bergfried“ am 21. September im ORF

Peter Simonischek, Gisela Schneeberger und Jo Baier im Gespräch
„Wenn man sich vorstellt, da sind mehr als 500 Menschen umgebracht worden, vorwiegend Frauen und Kinder, und niemand spricht darüber. Wir machen in der Toskana Urlaub und wissen gar nicht was unsere Vorfahren da verbrochen haben“, erklärt Regisseur Jo Baier seine Beweggründe, die Geschichte rund um ein wenig bekanntes Kriegsverbrechen in der Toskana aufzuarbeiten.
Die ORF-Premiere von „Bergfried“ steht am Mittwoch, dem 21. September 2016, um 20.15 Uhr in ORF 2 auf dem Programm.
Von September bis Oktober 2015 wurde das historische BR/WDR/ORF-Drama „Bergfried“ in der Steiermark gedreht. Darin spielt Fabrizio Bucci Salvatore, einen Mann, der 1944 als Kind die Ermordung seiner Familie und der Einwohner seines Bergdorfes durch deutsche Truppen in der Toskana miterleben musste und nur durch Zufall überlebt hat. Knapp 40 Jahre später, 1982, macht er sich auf die Suche nach dem Täter. An seiner Seite stehen außerdem Katharina Haudum, Peter Simonischek und Gisela Schneeberger vor der Kamera.
"Bergfried": Erna (Katharina Haudum li.) und Salvatore (Fabrizio Bucci re.) kommen sich näher.

ORF/Epo Film/Petro Domenigg

Erna (Katharina Haudum li.) und Salvatore (Fabrizio Bucci re.) kommen sich näher.

Bei einem Interviewtermin am 17. August 2016 in München sprachen Jo Baier, Peter Simonischek und Gisela Schneeberger über die Entstehung der Geschichte, die Figuren und warum Peter Simonischek mit Hauptdarsteller Fabrizio Bucci nur sprach, wenn die Kameras liefen.
Regisseur Jo Baier: „Es hat mich schockiert, dass die Öffentlichkeit eigentlich überhaupt nichts davon wusste. Im Übrigen auch bis heute relativ wenig weiß.“
„Ich selbst bin auf die Geschichte 2004 gestoßen. Ich kenne die Toscana gut, ich liebe die Landschaft und die Menschen, finde die kleine Stadt Lucca wunderschön. Als ich dann zum ersten Mal erfahren habe, dass die Deutschen und Österreicher beim Rückzug ein so umfangreiches Kriegsverbrechen ganz in der Nähe von Lucca begangen haben, war ich sehr erschüttert. Es hat mich schockiert, dass die Öffentlichkeit eigentlich überhaupt nichts davon wusste. Im Übrigen auch bis heute relativ wenig weiß. Wenn man sich vorstellt, da sind mehr als 500 Menschen umgebracht worden, vorwiegend Frauen und Kinder, und niemand spricht darüber. Wir machen Urlaub dort und wissen gar nicht was unsere Vorfahren da verbrochen haben. Als wir letztes Jahr gedreht haben, wurde der letzte Schuldige in Deutschland vor Gericht gestellt. Das Verfahren wurde dann aufgrund der Demenz des Beschuldigten eingestellt.“
Über die Geschichte von „Bergfried“ meint der Regisseur: „Ich versuche, das nicht über den erhobenen Zeigefinger zu erzählen, sondern emotional aus der Sicht eines Betroffenen oder zweier Betroffener: dem Täter, der kein Ungeheuer ist, sondern ein liebevoller Großvater, und dem, der diese Tat ein Leben lang nicht überwinden kann. Ich glaube es geht generell stark um Schuld und die Aufarbeitung von Schuld. Wie geht man damit um?“
Peter Simonischek: „Mich interessiert an der Rolle die Banalität des Bösen“.
„Mich interessiert an der Rolle die Banalität des Bösen, die Ambivalenz zwischen dem bösen und dem lieben Opa. Den Großvater, der mit seinem Enkelkind schnitzt, wünscht sich doch jeder. Er erzählt auch Bibelgeschichten über Rotkehlchen, die schon recht süß sind. Doch dahinter verbirgt sich Antisemitismus, der ja auch in der Bibel lang salonfähig war. Im Laufe der Jahre wurde es ja ein bisschen entschärft, aber ‚sein Blut komme über uns und unsere Kinder‘ steht immer noch drin.“
Während des Drehs trafen Peter Simonischek und Fabrizio Bucci ganz bewusst nur vor der Kamera aufeinander. Simonischek über die Strategie von Jo Baier: „Wenn wir Theater gespielt hätten, hätte ich das lächerlich gefunden. Doch im Film möchte man das sehen, was nicht gespielt ist. Das Sein ist wichtig, dazu ist jede Hilfe legitim. Es gibt Regisseure, die den ganzen Drehtag so konstruieren, dass das Ereignis eine Chance hat. So, dass wirklich Momente eingefangen werden, die für niemanden vorhersehbar waren. Das sind oft in den Filmen die stärksten Momente.“
"Bergfried": Stockinger (Peter Simonischek)

ORF/Epo Film/Petro Domenigg

Stockinger (Peter Simonischek)

Gisela Schneeberger: „Ich brauch immer eine gute Stimmung am Set und bin manchmal sehr albern und kindisch“
„Ich bin immer gespalten, manchmal gibt’s ernste Themen und manchmal albere ich nur so herum. Man kann jetzt nicht sagen, weil der Film so ein schweres Thema hat, dass man dann nur so schwermütig vor sich hin brabbelt. Ich brauch immer eine gute Stimmung am Set und bin manchmal sehr albern und kindisch.“
Über ihre Rolle als Frieda: „Das ist eine Frau, die eigentlich ein ganz sparsames Leben in dieser Dorfgemeinschaft führt und eine riesen Enttäuschung erlebt hat, weil ihr Verlobter während der Nazi-Herrschaft Kommunist war und verraten worden ist im Dorf. Insofern solidarisiert sie sich mit dem Italiener und kann ihm letztlich auch den Täter verraten.“
"Bergfried": Salvatore (Fabrizio Bucci) und Frieda (Gisela Schneeberger)

ORF/Epo Film/Petro Domenigg

Salvatore (Fabrizio Bucci) und Frieda (Gisela Schneeberger)

„Bergfried“ ist eine Koproduktion von Zieglerfilm München, epo-film, BR, WDR und ORF, das Projekt wurde gefördert von Cinestyria Filmcommission and Fonds, Fernsehfonds Austria und FFF Bayern.
Die Premiere wird zur Eröffnung Festivals „Der neue Heimatfilm“ am Mittwoch, dem 24. August 2016, in Anwesenheit von Jo Baier, Fabrizio Bucci, Katharina Haudum und Dieter Pochlatko stattfinden.