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Ö1: Schwerpunktreihe in „Tao – aus den Religionen der Welt“ über „Allah und Abendland – Islam in Europa“

Die Ö1-Reihe „Tao – aus den Religionen der Welt“ (samstags, 19.05 Uhr) begibt sich in fünf Ausgaben auf die Spuren des Islam in Europa: „Der Euro-Islam – gescheitertes Konzept oder Zukunftsmodell?“ (27.5.), „Architektur, Arithmetik und Aristoteles – Al-Andalus und sein Erbe“ (3.6.), „Popkultur und Petrodollars – Bosniens Islam im Spannungsfeld“ (10.6.), „Halbmond und Csárdás – Islam in Ungarn“ (17.6.) und „Koran und Marseillaise – Islam in Frankreich“ (1.7.).
Wie leben Musliminnen und Muslime in Europa? Welchen Richtungen des Islam gehören sie an? Gibt es so etwas wie einen europäischen Islam, ist ein solcher überhaupt möglich und wünschenswert und wie soll er definiert werden? Die „Tao“-Serie „Allah und Abendland“ zum muslimischen Fastenmonat Ramadan, der 2017 am 27. Mai beginnt und bis zum 24. Juni dauert, geht diesen Fragen auf den Grund, erinnert an historische Fakten und zeigt die verschiedenen Gesichter des Islam im heutigen Europa.
Den Auftakt der fünfteiligen Reihe in „Tao – aus den Religionen der Welt“ macht am 27. Mai um 19.05 Uhr „Der Euro-Islam – gescheitertes Konzept oder Zukunftsmodell?“. Der Islam verändert Europa und Europa verändert den Islam, zumindest schrittweise. Immer mehr islamische europäische Intellektuelle entwickeln neue Konzepte, wie sich Europa und Islam in Einklang bringen lassen – vor allem an den zahlreicher werdenden islamischen Fakultäten und Instituten an den europäischen Universitäten. Doch die Zugänge sind vielfältig und die Meinungen gehen oft weit auseinander. Schon über die Begriffe wird hitzig debattiert: Ob von einem „Euro-Islam“, einem „europäischen Islam“ oder einem „Islam europäischer Prägung“ die Rede sein soll, darüber scheiden sich die Geister. Für viele islamische Vordenkerinnen und Vordenker steht aber fest: Für die Etablierung einer glaubwürdigen, europäischen Form des Islam wird man sich an die Glaubensgrundlagen heranwagen müssen – was intensive Arbeit in der Koranexegese und einen neuen Umgang mit der prophetischen Tradition umfasst. Von österreichischer Seite haben unter anderen der Leiter des Instituts für Islamische Studien der Universität Wien, Ednan Aslan, und der Soziologe und Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide Beiträge zur Debatte geliefert. Khorchide skizziert etwa einen barmherzigen Islam, Aslan fordert eine Rückbesinnung auf die Grundsäulen der islamischen Religion, um sie von innen her zu reformieren. Immer wieder melden sich auch muslimische Feministinnen wie die deutsche Autorin und Juristin Seyran Ateş oder die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi zu Wort. Zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan nähert sich „Tao“ den derzeit brennenden Fragen an: Was ist das, eine europäisch-muslimische Identität? Wie weit sind die islamischen Intellektuellen in Europa mittlerweile mit ihren Konzepten? Und wie sehr sind diese bereits auf dem Boden der Realität, in den vielfältigen muslimischen Communities angekommen? Die von Kerstin Tretina gestaltete Sendung beleuchtet die unterschiedlichen theologischen und politischen Ansätze und unterzieht sie einem Reality-Check.
„Architektur, Arithmetik und Aristoteles – Al-Andalus und sein Erbe“ ist Thema am 3. Juni um 19.05 Uhr in „Tao“. Sie brachten die arabischen Zahlen und wichtige Kenntnisse auf den Gebieten der Astronomie und Medizin sowie der Technik und Landwirtschaft nach Europa. 800 Jahre lang – von 711 bis 1492 - waren arabische Herrscher die bestimmende politische, religiöse, soziale und kulturelle Macht auf der iberischen Halbinsel. Sie kamen als Eroberer, doch brachten sie auch bleibende friedliche Güter wie neue landwirtschaftliche Bewässerungsmethoden oder Techniken in der Metallverarbeitung, der Weberei und im Bauwesen. Diese Zeit des „Al-Andalus“  gilt als „goldenes Zeitalter“, als eine Zeit des toleranten und konstruktiven Miteinanders von Christ/innen, Jüd/innen und Muslim/innen – unter islamischer Herrschaft. Doch war dieses Zeitalter wirklich so „golden“? Neben Beispielen für ein friedliches Miteinander gab es auch gewaltsame Auseinandersetzungen, Hinrichtungen, Versklavung und Brandschatzung. Und: Was blieb von „Al-Andalus“? Maria Harmer hat sich auf Spurensuche begeben, geht dem Mythos des goldenen Zeitalters nach und versucht das Erbe der Eroberer neu zu entdecken, das nicht nur die iberische Halbinsel bis heute prägt.
Am 10. Juni begibt sich Lise Abid in „Tao“ (19.05 Uhr) auf die Spuren von „Popkultur und Petrodollars – Bosniens Islam im Spannungsfeld“. Bosnien-Herzegowina gilt als das „Sorgenkind“ der Westbalkan-Region. Von einem Zusammenwachsen der ethnisch-religiösen Gemeinschaften und der drei regional-politischen Einheiten kann kaum die Rede sein. Die Wirtschaft liegt darnieder, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Arabischer Tourismus und Investitionen in Milliardenhöhe sind willkommen, aber es gibt auch Stimmen, die die säkulare Ordnung durch den Zuzug arabischer Muslim/innen gefährdet sehen. Der in Bosnien gelebte Islam hat sich im 20. Jahrhundert modernisiert und wurde im ehemaligen Jugoslawien stark eingeschränkt. Im Balkankrieg der 1990er Jahre kämpften arabische Salafisten an der Seite bosnischer Muslime; ihr Einfluss ist gegenwärtig über Moscheen spürbar, die mit Geld aus dem Golf wiedererrichtet wurden. Kopftücher sind auf Sarajevos Flaniermeile selten, aber in den neuen Shopping Malls gehören Männer und Frauen in arabischer Kleidung zur luxuriösen Käuferschaft. Abends dringt aus bosnischen Cafés heiße Pop-Musik, doch in manchen Lokalen muss man ihr ohne alkoholische Getränke lauschen – eine Trendwende? Überlebt hat der mystische Islam Bosniens, der sogenannte Sufismus, der sogar für entwurzelte Exkommunisten attraktiv ist. Vielleicht könnte er auch dem Salafismus widerstehen.
„Halbmond und Csárdás – Islam in Ungarn“ steht am 17. Juni auf dem Programm von „Tao“ (19.05 Uhr, Ö1). Sie überwachten die Donaufähre zwischen Buda und Pest, das war etwa im 10. Jahrhundert, noch vor König Stephan I., der in Ungarn auch heute noch als die Symbolfigur für ein wehrhaftes Christentum gilt. Die Hüter der Donaufähre waren jedoch nicht die ersten Muslime auf ungarischem Boden. Diese dürften Mitte des 9. Jahrhunderts gemeinsam mit den Magyaren aus dem Zwischenstromland zwischen Don und Dnepr ins Karpatenbecken gekommen sein. Zahlreiche Ortschaften in Ungarn, deren Name „böszörmény“ (zu Deutsch: Bessermenen) enthält, weisen etwa darauf hin, dass diese Orte einst muslimischen Bessermenen-Stämmen gehört haben. Ihre islamischen Spuren hat später auch die Herrschaft der Osmanen, von 1541 bis in die 1690er Jahre, hinterlassen: aus dieser Zeit stammt etwa eine bis heute erhaltene Moschee in der Stadt Pécs, 2010 Kulturhauptstadt Europas. Heute leben in Ungarn geschätzte 50.000 Musliminnen und Muslime. Wie sie freilich in dem Land leben, dessen Regierung sich gerne als Verteidigerin des christlichen Abendlandes präsentiert, das versucht Judith Fürst zu erkunden. Dabei geht sie auch Fragen nach, wie: Wer nimmt am Freitagsgebet in der größten Moschee Budapests teil? Und kann man in Ungarn „halal“ essen? Das Ergebnis sind akustische (Moment-) Aufnahmen und Einblicke in muslimische Lebenswelten in Ungarn.
Den Abschluss des „Tao“-Schwerpunktes „Allah und Abendland“ macht am 1. Juli um 19.05 Uhr eine Sendung über „Koran und Marseillaise – Brennpunkt Islam in Frankreich“. Zuerst Charlie Hebdo im Jänner 2015, dann Bataclan im November 2015 und schließlich Nizza im Juli 2016: Seit den erschütternden, terroristischen Attacken mit insgesamt mehr als 200 Todesopfern und hunderten Verletzten wird hauptsächlich ein Gesicht des Islam von Frankreich in die Welt transportiert: jenes des radikal-islamischen Dschihadismus. Staat und die Bevölkerung sind weiterhin in Alarmbereitschaft, die Angst vor dem Terror gehört mittlerweile zum französischen Alltag – für Nicht-Muslime wie Muslime. Das streng laizistische Frankreich will sich nun dem Islam auf neue Weise zuwenden: Die islamischen Institutionen im Land sollen neu aufgestellt werden, der weiteren Radikalisierung von Musliminnen und Muslimen müsse endlich vorgebeugt werden. Von Seiten der französischen Regierung heißt es, es solle ein „französischer Islam“ entstehen: einer, der mit den Werten der Aufklärung, der laizistischen Republik in Einklang stehe. Darüber, wie viele Musliminnen und Muslime in Frankreich leben, gibt es nur Schätzungen; diese reichen von 3,5 bis 9 Millionen, da die Befragung nach der religiösen Zugehörigkeit aufgrund der Antidiskriminierungsgesetze unzulässig ist. Unumstritten ist die immer noch prekäre, soziale Situation vieler Musliminnen und Muslime mit Migrationshintergrund. Vor allem jener, die ghettoisiert in den Vorstädten von Paris, Lyon oder Marseille leben – schlecht integriert, ohne Arbeit und Perspektiven. Diese sozialen Brennpunkte ziehen nicht erst seit Aufkommen des „IS“ Hassprediger an. Gefühle der Benachteiligung und Diskriminierung sind auch durch weitgreifende, politische Entscheidungen verstärkt worden: Das Tragen des islamischen Kopftuchs ist an staatlichen Behörden, Schulen und Universitäten verboten. Seit 2011 ist auch eine Vollverschleierung in der Öffentlichkeit untersagt. Das Zusammenleben in Frankreich zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen wird schwieriger. Immer öfter sind französische Musliminnen und Muslime auch Anfeindungen ausgesetzt. Unmut regt sich innerhalb der muslimischen Community zudem ob der politischen Pläne für einen verordneten, französischen Reformislam – für viele haben diese Pläne einen kolonialistischen Beigeschmack. Mit dem Erbe der Kolonialzeit, den vielen Migrantinnen und Migranten aus Nordafrika (Marokko, Algerien, Tunesien) sowie dem Spannungsfeld Laicité und Scharia hat Frankreich nämlich seine ganz eigene Geschichte – gerade auch in Zusammenhang mit der Religion der Musliminnen und Muslime. Kerstin Tretina berichtet aus Frankreich zum Status Quo der heiklen Lage des dortigen Islam.

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